Ausstellung
In seiner Ausstellung »Humble Objects« fragt Dominik Lang, was Kunst ist, was sie war und was sie sein kann. Ausgangsmoment seiner Überlegungen ist das Werk seines Vaters. Jiří Lang, ein tschechischer Bildhauer, starb, als Dominik Lang ein Jugendlicher war. Der Vater hinterließ dem Sohn sein Atelier, mit teils fertigen, teils unfertigen Skulpturen, die ihren Weg in die Öffentlichkeit nie gefunden hatten. Das, was blieb, beschreibt der 1980 geborene Künstler als »ein Lebenswerk, verbunden mit Aufwand, Zeit und Freude, zusammengeschrumpft zu einem verstaubten Lager«. Das Atelier seines Vaters wird für ihn zu einem Ort der Erinnerung, der Transformation und Kreation. Ein Ort, in dem die Vergangenheiten, die Gegenwarten und das Zukünftige ineinandergreifen.
War das Atelier lange Zeit ein Privatraum des Künstlers, in dem Werke fernab von der Öffentlichkeit entstanden, wurde es im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend zu einem Kult-Ort, wo das künstlerische Genie zelebriert wurde. Erst die Zunahme der Post-Studio-Produktionen bewirkte eine kritische Auseinandersetzung mit dem lange etablierten künstlerischen Schaffensprozess und dem damit verbundenen traditionellen Künstlerbild.
In seinem 1971 veröffentlichten Essay »Fonction de l’atelier« äußerte der französische Künstler Daniel Buren sein Misstrauen gegenüber dem Atelier mit seiner zugleich »idealisierenden und verkalkenden Funktion«. Um den künstlerischen Schaffensprozess zu entmystifizieren und eine Entwurzelung der Werke zu vermeiden, sprach sich Buren dafür aus, fortan Produktions- und Präsentationsort räumlich nicht mehr zu trennen.
Im Zuge dieser initialen Veränderung wurde der Ausstellungsraum selbst als Gegenstand der Rezeption nobilitiert. Wie der Künstler Robert Morris 1966 in seinen »Notes on Sculpture« schrieb, ist »der Raum selbst eine formgebende Instanz, sowohl in seiner würfelförmigen Struktur als auch in der Art und Weise, in der seine proportionalen Verhältnisse die Subjekt-Objekt-Beziehung zwischen Werk und Betrachter beeinflussen«.
Auch Dominik Lang richtet in der von Petra Reichensperger kuratierten Ausstellung den Fokus auf den performativen Akt der Sichtbarmachung künstlerischer Arbeiten im Ausstellungsraum. Während er sich in früheren Arbeiten noch stark auf das Werk seines Vaters bezog, greift er hier auf Arbeiten von verschiedenen tschechoslowakischen Künstlern zurück, die alle aus derselben Generation seines Vaters stammen.
Die von Dominik Lang gebauten Elemente beziehen sich auf Arbeiten von Künstlern wie Maria Bartuszová, Hugo Demartini, Milan Grygar, Eva Kmentová, Běla Kolářová, Stanislav Kolíbal, Karel Malich und Jiří Novák. Sie sind seit den 1950er Jahren aktiv. Entgegen der staatlich geförderten und anerkannten Kunstrichtung haben sie avantgardistische und abstrakte Werke geschaffen. Sie wurden damals wenn überhaupt in Nischenräumen ausgestellt. Erst heute finden sie langsam den Weg in museale Ausstellungen und Sammlungen. In »Humble Objects« spielen sie nicht nur eine grundlegende Rolle, sondern es ist auch die erste umfassende Zusammenführung in dieser Konstellation.
Dominik Lang baut für sie Sockel, Wände und Haltevorrichtungen und rückt diese als selbstverständlich wahrgenommenen Dinge unprätentiös in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Dadurch hinterfragt der Künstler die Stellung dieser zweitrangigen Objekte: Haben sie eine eigene Identität oder sind sie von übergeordneten Objekten abhängig? Macht sie die Tatsache, dass sie im Ausstellungsraum präsentiert werden zu Kunstobjekten?
Der 1980 geborene Künstler stellt in diesen Neuproduktionen unsere Wahrnehmung von Kunst nicht nur in räumlicher, sondern auch in zeitlicher Hinsicht auf die Probe. Ähnlich wie Henri Bergson 1896 in »Matière et Mémoire« schrieb, wird die Gegenwart in seiner Einzelausstellung »zugleich eine Wahrnehmung der unmittelbaren Vergangenheit und eine Bestimmung der unmittelbaren Zukunft«. Der Moment der Produktion und der Modus des Zeigens sind in »Humble Objects« grundlegend.
Die dadurch entstehende Theatralität ist auch – im Sinne Judith Butlers – als eine performative Handlung beschreibbar, »die das, was sie benennt, hervorruft oder in Szene setzt und so die konstitutive oder produktive Macht der Rede unterstreicht«. Der Akt der zeigenden Setzung ist insofern vergleichbar mit Butlers »Macht der Rede«, als er einer Rhetorik der Macht folgt, die definiert, was Kunst ist und was (noch) nicht oder nicht mehr. Diese Logik stellt Lang infrage, indem er die Bedingungen der Sichtbarmachung und Präsentation von Kunst neu verhandelt.
Wie Andrea Phillips im Rahmen ihres Forschungsprojektes »Curating Architecture« (2006 – 2008) hervorhob, unterliegen auch Ausstellungen, die ein kontextualisiertes, prozesshaftes Präsentieren von Kunst und Dingen verfolgen, den sozialen, ökonomischen und juristischen Gegebenheiten des Ortes, an dem sie gezeigt werden. Eine Ausdehnung der sozialen Tragkraft zeitgenössischer Kunst setzt demnach eine kritische Thematisierung der Bedingungen der gebauten Umgebung voraus. Genau damit setzt sich Dominik Lang in »Humble Objects« auseinander.
Künstler
Dominik Lang, *1980 in Prag, nahm 2009 an der 3. Prague Biennial teil. 2011 zeigte er seine Arbeit »The Sleeping City« im tschechischen und slowakischen Pavillon auf der 54. Biennale di Venezia. 2012 nahm er an der »La Triennale, Intense Proximité« im Palais de Tokyo in Paris teil. Seine Arbeit »Non-Site«, 2011, war vom 30. Oktober 2011 bis zum 5. Februar 2012 in der Gruppenausstellung »Auxiliary Constructions – Behelfskonstruktionen« im Kunsthaus Dresden zu sehen.
Kuratiert von Petra Reichensperger