Ausstellung
Eine Stadt weicht der Mine: Kiruna bildet den Ausgangspunkt dieses künstlerischen Recherche- und Ausstellungsprojektes. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die schwedische Bergbausiedlung auf dem historischen Gebiet der Samen, der halbnomadischen ersten Bewohner dieser Region, errichtet. Exemplarisch werden hier Industrialisierung, nationale wirtschaftliche Interessen und Globalisierung sichtbar. Heute ist die Mine so weit unter die Stadt vorgedrungen, dass sich Risse im Boden bilden und der Untergrund instabil wird. Weil die Mine immer näher an die Stadt rückt, wird seit dem letzten Sommer bis zum Jahr 2033 die südöstliche Stadthälfte samt dem Zentrum um fünf Kilometer verschoben. Sechs Eiffeltürme könnte man mit dem in Kiruna pro Tag geförderten Eisenerz bauen, diese Schätzung des britischen Guardian zitierte jüngst der Spiegel.
Während in Kiruna Seen abgepumpt werden, um den Fortschritt der Mine zu gewährleisten, entstehen in der Lausitz neue Seen – über Jahrzehnte gefüllte Restlöcher des Braunkohletagebaus. Seit 1924 mussten hier mehr als 80 Dörfer und Gemeindeteile und 780 Quadratkilometer Landschaft der Gewinnung des umstrittenen Energieträgers weichen. Bis 2042 sollen weitere Gemeinden und Flächen folgen.
Auch für die Kunst weicht die Landschaft der Folgelandschaft: Abwägungen zwischen kurz- und langfristiger Absicherung von Lebensqualität kommen dabei ebenso ins Bild wie das Verhältnis von Landschaft, Moderne und Technologie sowie Fragen nach der Beteiligung der betroffenen Bevölkerung an den Entscheidungsprozessen vor Ort. In der DDR führte der Protest gegen den Raubbau an der Umwelt neben anderen Faktoren zur Herausbildung der Oppositionsbewegungen. Kirunatopia im Kunsthaus Dresden zeigt zeitgenössische künstlerische Werke zu Kiruna, die seit 2010 im Rahmen eines internationalen Artist-in-Residence-Programms auf Initiative des Goethe-Instituts in Schweden ermöglicht worden sind, und verbindet diese mit neuen und historischen Werken zum Braunkohletagebau in der Lausitz wie auch zum Uranbergbau und den wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt ästhetisch neu definierten Folgelandschaften in der Region.
Mit neu entstandenen künstlerischen Werken und Leihgaben aus der Sammlung des Kunstfonds/Staatliche Kunstsammlungen Dresden wie auch mit den bereits 2012 im Bildmuseet Umea gezeigten Werken nimmt die Ausstellung Bezug auf Fragen nach dem Verhältnis von Kunst, (post-)industrieller Landschaft, Ressourcen und Demokratie; ebenso geht es um das historische Verhältnis von Identität und Region – um die Samen in der Region von Kiruna und die Sorben in der Lausitz.
Die Materialsammlung LAKOMA – Archiv der Lausitz mit dokumentarischem Material zum Tagebau, zu den verschwundenen Orten in der Lausitz und zu historischen Protesten, zusammengestellt von Torsten Birne und Claudia Reichardt, ergänzt die Ausstellung.
Das Mobile Landschaftsatelier ist ein Bildungsangebot für Schulen in der Region zu Kunst, Landschaft und Ressourcen und wurde anlässlich des Projektes Kirunatopia in Zusammenarbeit mit dem BildungsCent e. V. im Rahmen des Vermittlungsprogramms KlimaKunstSchule! entwickelt. Die Künstler/innen Susanne Keichel, Ina Kwon, Christoph Rodde, Grit Ruhland und Birgit Schuh bieten im Rahmen eines von Lucio Auri entworfenen künstlerischen Arbeitsmoduls Projekttage für Schulen an.
Künstler:innen
Lara Almarcegui (Rotterdam), Agneta Andersson (Kiruna), Jürgen Bergbauer (Straubing), Dave Hullfish Bailey (Los Angeles), Haifische Dresden Süd-West (Susanne Hampe, Birgit Schuh, Lisa Stagge, Christoph Rodde), Klara Hobza (Berlin), Geir Tore Holm und Søssa Jørgensen (Skiptvet), Lina Issa (Amsterdam), Matthias Jackisch (Dresden), Ingela Johansson (Stockholm), Gerda Lepke (Gera/Dresden), Britta Marakatt-Labba (Övre Soppero), Jürgen Matschie (Bautzen), Heide Nord (Leipzig), Barbara Raetsch (Potsdam), Grit Ruhland (Dresden, Ronneburg), Götz Schlötke (Dresden, †) ,Boris Sieverts (Köln), Ingo Vetter (Bremen), Margareta Vinterheden/Alf Israelsson(Stockholm), Liselotte Wajstedt (Kiruna), Marion Wenzel (Leipzig), Florian Zeyfang(Berlin)
LAKOMA – Archiv der Lausitz: Matthias Jackisch (Dresden), Kooperative Kunstpraxis (Dresden), Dieter Liebig (Bernstadt), Matthias Lüttig (Dresden), Jürgen Matschie (Bautzen), Maja Nagel (Eula), Olaf Nicolai (Berlin)
Eine Ausstellung und ein Veranstaltungsprogramm in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Schweden, dem Kunstfonds des Freistaates Sachsen und dem Kunstraum KONCENTRAT, Kiruna.
Gefördert von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen sowie mit freundlicher Unterstützung des schwedischen Kulturrådet und Iaspis, Stockholm
Die Ausstellung und Veranstaltungsprogramm Kirunatopia in Dresden wurden kuratiert von
Christiane Mennicke-Schwarz (Kunsthaus Dresden), Silke Wagler (Kunstfonds/Staatliche Kunstsammlungen Dresden)
Die Ausstellung Kirunatopia im Bildmuseet Umeå wurde kuratiert von
Kim Einarsson (freie Kuratorin) und Brita Täljedal (Bildmuseet Umeå).
Referenzgruppe Kirunatopia:
Rainer Hauswirth (Goethe-Institut Stockholm), Ingo Vetter (freier Künstler, Bremen)
und Florian Zeyfang (freier Künstler, Berlin)
LAKOMA - Archiv der Lausitz: Material zur Kohle, zur Landschaft und zur Opposition, zusammengestellt von Torsten Birne und Claudia Reichardt
Das Mobile Landschaftsatelier, ein Bildungsangebot für Schulen in der Region zu Kunst, Landschaft und Ressourcen wurde anlässlich des Projektes in Zusammenarbeit mit der Bildungsinitiative Bildungscent e.V. im Rahmen der Initiative Klimakunst! entwickelt.