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Prekarität, die

18. Vortrag der Reihe »Kunstbegriffe«

Mo / 1. Dez
19:00

Datum
Mo / 1. Dez
19:00
Eintritt
Eintritt frei

Der Philosoph, Politikwissenschaftler und Kunsttheoretiker Michael Hirsch spricht zum Thema der Prekarität in der Bildenden Kunst. Michael Hirsch ist freier Autor und lehrt politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen. Er forscht u.a. zur feministischen, neomarxistischen und hedonistischen Kritik der Lohnarbeitsgesellschaft.

  • Hörsaal der HfBK Dresden
    Güntzstraße 34

Zukünftige Kunst- und Kulturarbeit wird in dem Vortrag als Modell im emphatischen Sinne verstanden: als Modell eines freien, selbständigen Menschen – als Gegenmodell gegen die entfremdete kleinbürgerliche Existenz des Lohnarbeiters und neoliberale Selbstausbeutung gleichermaßen. Mit der Prekarität, dem Mangel an stabiler beruflicher Identität und Einkommenssicherheit, partizipieren Künstlerinnen und andere Kulturarbeiter zum einen am Schicksal der Vielen in der Gesellschaft, die zukünftig eher mehr werden. Darauf gilt es politisch ein neues demokratisches Sozialstaatsmodell mit neuen sozialen Rechten zuzuschneiden, das zum Teil spezifisch den Interessen von Künstlern im weiteren Sinne, zum Teil denen aller Bürgerinnen und Bürger dient. Zum anderen repräsentieren sie mit ihrer Freiheit ethisch und ästhetisch potentiell eine Avantgarde des befreiten Menschen. Dafür muss aber das Bild dieser Arbeits- und Lebensweise noch verdeutlicht und besser verkörpert werden.

Im Zentrum des Vortrags steht der Begriff der Lebensform. Er hat zwei Seiten: Auf der einen Seite die real existierenden prekären Lebensformen von selbständig-freien Künstlerinnen und Künstlern, wie sie sich historisch herausgebildet haben. Auf der anderen Seite eine mögliche neue Lebensform, die eine andere Vision von Gesellschaft und Arbeit anstrebt – ein anderes Leben, das eigentlich schon längst da ist, massenhaft gelebt wird, wenn auch bislang unter materiell wie symbolisch schwierigen Bedingungen. Fortschrittlich wird künstlerische und andere prekär-freie Arbeit erst dann, wenn sie zur Avantgarde eines allgemeinen gesellschaftlichen Gegenmodells eines besseren (bislang aber noch gering anerkannten und mit defekt erscheinenden Berufsbiografien verbundenen) Lebens wird.

Bei einer »Überlebensrate« von 4 Prozent stellt sich die Frage, auf welches Berufsbild und welche Biografiemodelle sich Kunstausbildung und Kunstdiskurs beziehen sollten. Es wird gegen die herrschenden Professionalitätszwänge für das Bild des professionellen Amateurs plädiert. Und für eine progressive Desillusionierung, die sich von falschen Hoffnungen auf Ruhm und Reichtum befreit, ohne den wahren Traum eines anderen, schöneren Lebens aufzugeben. Wir verbinden die klassische Frage nach autonomer Kunst und Theorie als Modell einer von Nützlichkeit befreiten Tätigkeit mit zeitgenössischen feministischen Ideen von Sorgearbeit, deren materielle und symbolische Anerkennung als gesellschaftlich wertvoll ebenfalls noch aussteht.

Michael Hirsch ist Philosoph, Politikwissenschaftler und Kunsttheoretiker. Er lehrt politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Siegen und lebt als freier Autor in München. Zuvor unterrichtete er unter anderem an der Merz-Akademie Stuttgart und der Akademie der bildenden Künste München. Seine Forschungsschwerpunkt ist die Kritik der Lohnarbeitsgesellschaft aus feministischer, neomarxistischer, anarchistischer und hedonistischer Perspektive.
Jüngere Buchveröffentlichungen sind: »Durchlöchert den Status Quo! Autonome Zonen, radikale Demokratie und Ökologie« (mit Kilian Jörg, 2025); »Kulturarbeit. Progressive Desillusionierung und professionelle Amateure« (2022); »Richtig falsch. Es gibt ein richtiges Leben im falschen« (2019). »Die Überwindung der Arbeitsgesellschaft. Eine politische Philosophie der Arbeit« (2016); »Logik der Unterscheidung. 10 Thesen zu Kunst und Politik« (2015).

Die Vortragsreihe »Kunstbegriffe« findet in einer Zusammenarbeit von Kunsthaus Dresden, Landesverband Bildende Kunst Sachsen e. V., der Hochschule für Bildende Künste Dresden und der Sammlung Kunstfonds / Staatliche Kunstsammlungen Dresden statt.