Harmas KGV Versuchsaufbau
Harmas KGV ist ein Modellversuch zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen dem Mikroklima in einem speziell konzipierten Trockengarten und dem Wachstum von zwanzig stark bedrohten heimischen Wildkräutern.
Anlage
Auf der Fläche der Parzelle 3 wurde eine Steinschüttung mit lokalem Pläner Kalksandstein vorgenommen, die zum Zentrum hin ansteigt. In Nord-Süd-Richtung ausgerichtet, bietet die Anlage schwach geneigte Hanglagen in alle vier Himmelsrichtungen. Zwischen der Nordseite, die am wenigsten von der Sonneneinstrahlung getroffen wird, und der Südseite, die am meisten Sonne erhält, entstehen erhebliche Temperaturunterschiede. Verstärkt wird dieser Effekt durch den zentral aufragenden Ausstellungspavillon und die im Osten gelegenen Gebäude, die die Flächen mit der geringeren Sonnenexposition zusätzlich verschatten.
Arten
Die Artenliste wurde nicht in Hinblick auf eine der klassifizierten Pflanzengesellschaften wie z.B. Kalk-Magerrasen zusammengestellt, denn viele der Arten können sowohl in Trocken- als auch in Halbtrockenrasen vorkommen. Die dargestellte Pflanzengesellschaft ist folglich konstruiert und kann als wärmeliebende Pflanzengesellschaft auf basischem Untergrund charakterisiert werden. Die Arten sind licht- und wärmebedürftig. Nach dem Einwachsen werden die Pflanzen, die durch Anpassung (aus Konkurrenzgründen) sehr trockenheitsertragend sind, nicht mehr gegossen.
In der Versuchsanlage werden sich selbst ansiedelnde Arten gejätet. So wird der Sukzessionsdruck vermindert und die drohende Verbuschung verhindert, beides im Freiland Ursachen des Verschwindens der im Harmas KGV kultivierten Pflanzen.
Ein weiterer Gesichtspunkt bei der Zusammenstellung der Artenliste war die zukünftige Betreuung der Pflanzen durch Laien, was eine gewisse Zuverlässigkeit der ausgewählten Pflanzen voraussetzt. Auch ein langer Blühverlauf war wichtig, sodass von Frühjahr bis Herbst Blüten im Trockengarten zu finden sein werden. Es wurde darauf geachtet, niedrige und polsterbildende mit höherwüchsigen Pflanzen abzuwechseln. Einige Arten bilden sehr tiefe Wurzeln, andere nicht.
Auswertung 2020 bis 2022
2021
Bewertung der Individuenzahl in Abhängigkeit von klimatischen Bedingungen im Vergleich zur Pflanzung vom 29.9.2020. Insgesamt war der Eindruck üppiger als erwartet, was auf den starken Niederschlag während der Vegetationsperiode 2021 zurückgeführt werden kann.
Nördliche Hanglage
Das auffällig gute Wachstum an den absonnig gelegenen Stellen (Nord) ist darauf zurückzuführen, dass die konkurrenzstarken Arten von der hohen Feuchtigkeit besonders profitiert haben. Besonders der Wiesen-Salbei war auffällig wüchsig und besser versamt als auf den anderen Flächen. Jedoch sind zwei Arten auf der Nordseite völlig verschwunden, die auf den anderen noch vorhanden waren: Der Feld-Steinquendel und der Sand-Thymian. Diese beiden konkurrenzschwächeren Arten konnten nicht von den feuchten Bedingungen profitierten und wurden verdrängt. Im Fall des Sand-Thymians, wurde bereits bei der Pflanzung durch eine Platzierung an der oberen Hangkante berücksichtigt, dass er einen niedrigen Wuchs und besonderen Lichtbedarf hat. Dort war jedoch die aufgeschüttete Substratschicht dünn und die darunterliegende Steinschüttung führt zu einem besonders starken Wasserabzug, sodass der Sand-Thymian dort nicht besonders gut anwachsen konnte. Dass der Feld-Steinquendel hier versagt hat, ist darauf zurückzuführen, dass die anderen Arten durch die Feuchtigkeit so stark gewachsen sind, dass ihm das Licht gefehlt hat.
Östliche Hanglage
Bis auf den Sand-Thymian waren hier alle Arten vorhanden und gut entwickelt. Auffällig war jedoch, dass der Feld-Steinquendel hier sehr gut entwickelt und sogar versamt war. Grund dafür kann einerseits die im Vergleich zur Nordseite stärkere Sonneneinstrahlung sein. Die steilere Geländeneigung auf der Ostseite führt darüber hinaus zu einem verstärkten Wasserabzug, was einen mäßigenden Einfluss auf die konkurrenzstarken Arten hatte. Deshalb hatte der trockenheitstolerante Feld-Steinquendel eine Chance sich zu entwickeln.
Südliche Hanglage
Auf dieser Seite waren zwar alle Arten vorhanden, sie waren aber durchgängig weniger kräftig als auf den Vergleichsflächen. Besonders der Wiesen-Salbei war gut entwickelt und stark versamt. Sowohl der Feld-Steinquendel als auch der Sand-Thymian hatten hier keine Probleme. Die Karthäuser-Nelke konnte wegen der starken Sonneneinstrahlung auch an diesem exponierten Standort die vorhandenen Freiräume nicht nutzen. Sie bevorzugt die moderateren Lagen im Osten und Westen.
Westliche Hanglage
Alle Arten waren vorhanden, zum Teil sehr wüchsig. Der Wiesen-Salbei war zudem stark versamt.
2022
Da 2021 das Anwachsjahr war, ist 2022 das erste Jahr, in dem differenzierte Ansprüche der einzelnen Arten zum Tragen kommen und sich Entwicklungstendenzen beobachten lassen. Über den schwierigen Start für den Sand-Thymian ist im Bericht für das Jahr 2021 schon geschrieben worden. Als licht- und wärmeliebende Art hat sie offenbar nur auf der Südseite optimale Bedingungen. Hier konnten nach Verlusten im Jahr 2021 im Folgejahr sogar drei Jungpflanzen registriert werden.
Im Vergleich zu anderen Arten ist der gewöhnliche Dost weniger hitzetolerant. Diese für Insekten so attraktive Art, hat sich auf der Nordseite am besten entwickelt und nur dort ihren Bestand etwas vergrößert.
Auch die Große Braunelle hat ähnliche Ansprüche. Sie hat 2022 auf allen Flächen außer der Südseite ihren Bestand deutlich vergrößert.
Als sehr lichtbedüftige Art war der Feld-Steinquendel 2021 auf der Nordseite der Konkurrenz nicht gewachsen, war auf den anderen Flächen aber vorhanden. Da er aber eine relativ kurzlebige und sich schnell versamende Art ist, konnte der Feld-Steinquendel die Gunst des trockenen Jahres 2022 nutzen und sich auf allen Flächen ausbreiten und sogar auf der Nordseite wieder auftauchen. Wegen dieser Fähigkeit als schneller Lückenfüller bei entstehenden Fehlstellen einspringen zu können, war der Feld-Steinquendel ursprünglich ausgewählt worden.
Die Kartäuser-Nelke benötigt für eine optimale Entwicklung viel Licht, verträgt aber starke Hitze weniger gut. Aus diesen Gründen hat die Anzahl der Pflanzen auf der Nordseite in beiden Jahren abgenommen. Aber auch auf der Südseite kam es im deutlich wärmeren und trockneten Jahr 2022 zu einem leichten Rückgang. Die Kartäuser-Nelke fühlt sich offenbar unter den moderateren Bedingungen auf Ost- und Westseite am wohlsten.
Auch dem Felsen-Fingerkraut fehlte auf der Nordseite einfach das Licht. Im Gegensatz zur Kartäuser-Nelke kommt es aber mit hohen Temperaturen besser zurecht, was 2022 sogar zu einer leichten Zunahme auf der Süd- und Westseite geführt hat.
Die beiden Gräser Festuca valesiaca und Melica transsilvanica gehören zu den konkurrenzstarken Arten. Sie konnten sich auf allen Flächen gut etablieren und haben sich auch stark vermehrt. In Zukunft wird darauf geachtet werden müssen, dass sie konkurrenzschwächere Arten nicht verdrängen.
Auswertung 2023
09.07.2023
Kartieren, Sylvey Lommatzsch, Helga Petzold, Sabine Kroehs, Robert Thiele, Nana Petzet.
9:00 – 11:00: Unkraut jäten (Agrostis capilaris, Winden, Meliotus lupulina, Löwenzahn)
11:00 – 16:00: Team Sabine und Sylvey kartieren Ost- und Südhang, Team Helga und Nana kartieren Nord- und Westhang, Robert dokumentiert räumliche Verteilung seperat
10.07.2023
Entnahme: Kriterien für Einzelfallentscheidung konkurenzstarker Arten, wie Melica und Scarbiosa werden dort entfernt, wo sie konkurenzschwache Arten bedrängen, wie Liliago und Thymus. Die Vielfalt hat Priorität. Die Entnahme wird dokumentiert.
Dank
Ein Team bestehend aus Helga Petzold (TU-Dresden, Leiterin Boselgarten), Sabine Kroehs (Landschaftsgärtnerin, Artenreich), Sylvey Lommatzsch (Kleingärtnerin, Malerin) übernahm gemeinsam mit der Künstlerin Nana Petzet die Beobachtung der Pflanzen und Erfassung der Daten seit 2020. Seitens des Kleingärtnervereins Flora I e. V. übernahmen Ralph Teckentrup und Sven-Karsten Kaiser die Fotodokumentation seit 2020 sowie gemeinsam mit Heike Heer die Begleitung der gärtnerischen Pflege.