Ausstellung
Kontinuitäten und Brüche historischer afrikanisch-europäischer Beziehungen sind Ausgangspunkt der drei künstlerischen Einzelpositionen in der Ausstellung, deren intensive Erforschung historischer Quellen und aktueller gesellschaftlicher Verhältnisse dem Problem der Darstellbarkeit von Geschichte(n) zwischen historischer Faktizität und Erzählungen besondere Aufmerksamkeit schenkt: Wie können durch einen zeitgenössischen Umgang mit Bildern Beziehungen zwischen Ereignissen der Vergangenheit und der Gegenwart rekonstruiert, überdacht und möglicherweise auch verändert werden?
Bilder stehen hier für historisches Quellenmaterial, welches vergangene Ereignisse bezeugt: Archivierte Schriftstücke, fotografische Dokumente, geografisches Kartenmaterial, literarische Erzählung und mündliche Zeugnisse aber auch Orte; in den Randzonen ihrer Aussagefähigkeit und dem Verhandlungspotential, das hier zu finden ist, artikulieren sich die künstlerischen Aussagen aus der Perspektive der eigenen Gegenwart: Bilder als Mittel der künstlerischen Übersetzung und auch der Produktion von ’neuem‘ oder anderem Wissen, das in die gesellschaftlichen Wissenskreisläufe eingebracht werden kann.
Brigitta Kuster und Mobouna Moise arbeiten in ihren filmischem Rechercheprojekt seit 2002 an einer Rekonstruktion der kriegerischen Auseinandersetzungen, die sich 1892 in dem Dorf Balamba im Zusammenhang mit der kolonialen Erschliessung des heutigen Kamerun durch deutsche Expeditionen ereignet haben. Ihr Versuch besteht darin, die Autorität und Geschichtsmächtigkeit des kolonialen Diskurses durch Verschiebungen der Blickwinkel zumindest partiell aufzuheben. Sie avisieren eine Erinnerungslandschaft, die zwischen Schauplätzen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Kamerun und der Schweiz oszilliert und einem dialogischen Verfahren folgt. Immer wieder überprüfen die AutorInnen die mikropolitischen Aspekte der Recherche und Wissensproduktion: Weshalb ist es wichtig, heute die Details der damaligen Ereignisse zu rekonstruieren? Und welche Schritte sind hierfür notwendig? Ihre Videoarbeiten, so auch 2006 – 1892 = 114 ans / jahre untersuchen Möglichkeiten der Zeugenschaft für historische Ereignisse und entwickeln zugleich Ansätze einer transkontinentalen Geschichtserzählung, in der sich das Versprechen einer tatsächlich post-kolonialen Zukunft möglicherweise einlösen lässt.
Christine Meisners The Present betrachtet ausgehend von verschiedenen Standpunkten der Gegenwart und der Vergangenheit die Beziehungen zwischen dem Kongo und Europa. Die Arbeit bestehend aus Videos, Text und einer Serie von Zeichnungen reflektiert vor dem Hintergrund literarischer Quellen wie dem 1899 erschienenen Roman Heart of Darkness des in Polen geborenen britischen Schriftstellers Joseph Conrad und erst kurze Zeit zurückliegenden Ereignissen wie den kriegerischen Auseinandersetzungen des sogenannten Zweiten Kongokrieges und der 1999 eingerichteten UN-Mission im Kongo non-lineare Aspekte von Geschichte, individueller Erinnerung, Trauma und die Unmöglichkeit des Vergessens wie auch des angemessenen Erinnerns. Die Installation ist das Ergebnis einer zweijährigen Recherche und verschiedenen Reisen, die Meisner von Polen über Belgien in die Demokratische Republik Kongo unternommen hat. Dabei waren jene Orte von Interesse, an denen individuelle Erfahrungen, politische Konstellationen und physische Interieurs von Erinnerung aufeinandertreffen.
Dierk Schmidt experimentiert seit einigen Jahren mit einer künstlerischen Aktualisierung der politischen Tradition von moderner Malerei und Abstraktion. Seine unter anderem bei der Documenta 12 gezeigte, aus mehreren Tableaux oder ‚Schaubildern‘ bestehende Die Teilung der Erde. Tableaux zu rechtlichen Synopsen der Berliner Afrika-Konferenz geht von der Berliner Afrika-Konferenz aus, bei der 1884/5 auf Einladung des damaligen Reichskanzlers Bismarck die juristischen Vorrausetzungen für eine Aufteilung Afrikas unter die europäischen Kolonialmächte geschaffen wurden. Die Darstellbarkeit dieses Ereignisses, seiner Folgen und der völkerrechtlichen Konsequenzen und Resonanzen bis in die heutige Zeit werden anhand einer präzisen Bestandsaufnahme unter anderem in Bezug die Massenermordung an Teilen der damaligen Bevölkerungen Südwestafrikas durch die deutsche Kolonialmacht und die 2001 im Auftrag der Herero People’s Reparations Corporationbei einem Gericht in den USA gegen die Bundesrepublik Deutschland und drei deutschen Unternehmen eingereichte Reparationsklage untersucht.
Künstler:innen
Brigitta Kuster & Moise Merlin Mabouna, Christine Meisner, Dierk Schmidt
Kuratiert von Christiane Mennicke-Schwarz
Randzonen der Bilder ist ein Projekt in der Reihe Notes from the Empire / Aufzeichnungen aus dem Empire im Kunsthaus Dresden.